Statements

ZWEITER BRIEF AN DIE BERLINER PARTEIEN

An
Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit, Staatssekretär André Schmitz,
Fraktionsvorsitzende der Berliner Parteien im Abgeordnetenhaus,
Vorsitzende und Sprecher des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus,
Mitglieder des Ausschusses für kulturelle Angelegenheiten im Abgeordnetenhaus

Berlin, den 13. Februar 2012

Betreff: Existenzsicherung freier künstlerischer Projekträume und -initiativen jetzt!
Sehr geehrte/r Frau/Herr…,

im September 2011 hatten wir uns bereits mit der Forderung an Sie gewandt, die freien Projekträume und -initiativen, von denen wir mittlerweile rund 150 in Berlin repräsentieren, angemessen zu fördern. Diese Forderung möchten wir vor dem Hintergrund der sich dramatisch verschlechternden Arbeitssituation – insbesondere durch die zunehmend reine Verwertung der Stadt und damit u. a. den Verlust bezahlbarer Räume, das Verschwinden von Improvisationsräumen überhaupt sowie die Nichtverlängerung der einzigen bezahlten Stellen – und aus aktuellem Anlass der Haushaltsverhandlungen hiermit nochmals und unbedingt bekräftigen!

Wir bitten Sie, dringend zu bedenken:
– Wir schaffen eine Basis dafür, dass Berlin (noch!) weltweit der angesagte Standort für zeitgenössische Kunst ist und tragen dadurch wesentlich zum Image der Stadt bei.

– Wir sind maßgeblicher Bestandteil der Infrastruktur der aktuellen Kunstpräsentation in der Stadt: Rund die Hälfte der Berliner Künstler/innen präsentieren ihre Arbeiten und Projekte in unseren Räumen [1].

– Wir erreichen im Jahr 185.000 Besucher/innen [2] aus dem In- und Ausland und tragen mit unseren Netzwerken wesentlich zur Internationalität der Kunstszene in Berlin bei.

– Wir stehen für genau die dynamische Entwicklung, mit der auch der Standort Berlin unter dem Label „Kreativszene“ weltweit Werbung macht.

Allein die rund 150 Projekträume und -initiativen, die wir vertreten, haben einen Gesamtbedarf von rund 6 Mio. Euro im Jahr [3], um den Betrieb aufrecht zu erhalten. Auch wenn wir weiterhin unbezahlte Arbeit leisten und weitere Drittmittel einwerben, ergibt sich ein Förderbedarf von rund 2 Mio. Euro pro Jahr, um diese vielfältige, weltweit einzigartige Berliner Projektraumszene zu sichern.

Wir fordern Sie deshalb dringend auf, sich dafür einzusetzen, dass Berlin mit seinen freien Projekträumen und -initiativen auch zukünftig die Anziehungskraft auf die internationale Kunstszene hat, mit der die Stadt derzeit (zu Recht) für sich Werbung macht!

Herzliche Grüße, Berliner Netzwerk freier Projekträume und -initiativen 

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Anlage 1: Datenbasis
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Netzwerk-Brief2_an_Parteien-Feb2012_4_web

Anzahl der Projekträume und -initiativen in Berlin
Rund 150 Projekträume und -initiativen (Recherche des Netzwerks, Stand Januar 2012)

[1]
Künstler/innen in Projekträumen und -initiativen in Berlin
48,7% der Künstler/innen aus Berlin stellten in den letzten drei Jahren in Kunsträumen/Off-Spaces/ Projekträumen aus (dagegen nur 29,4 % in privatwirtschaftlichen Galerien).*

Durchschnittlich 20 Künstler/innen aus dem In- und Ausland werden pro Jahr in einem Projektraum präsentiert (Einzel- oder Gruppenprojekte); das sind insgesamt ca. 2.400 Künstler/innen im Jahr in Berliner Projekträumen.**

[2]
Durchschnittliche Besucherzahlen pro Projektraum/-initiative***:
Besucher pro Vernissage/Eröffnungsveranstaltung: 100
Besucher pro Talk/Workshop/Performance u. a.: 20
Besucher pro Öffnungstag: 7
Öffnungstage pro Projekt/Ausstellung: 18
Besucher pro Projekt/Ausstellung: 246
Anzahl Projekte/Ausstellungen pro Jahr: 5
Summe Besucher pro Jahr: 1.230
Summe Besucher pro Jahr in 150 Räumen/Initiativen: 184.500

29% der befragten Projekträume geben an, dass sie zwischen 500 und 1.000 Besucher im Jahr haben. 4% der befragten Projekträume geben an, dass sie mehr als 1.000 Besucher im Jahr haben. **

[3]
Finanzbedarf von Projekträumen und -initiativen***:
100 Räume á 50.000 € / Jahr = 5.000.000 € / Jahr
50 Räume á 20.000 € / Jahr = 1.000.000 € / Jahr
Summe: 6.000.000 € / Jahr

Durchschnittlich am Projektraum /-initiative aktiv beteiligte Personen**:
gesamt (total/58): 5,1 – 100 %
davon vollzeitbeschäftigt: 0,5 – 9 %
davon teilzeitbeschäftigt: 0,7 – 14 %
davon ABM/ÖBS: 0,2 – 4 %
davon ehrenamtlich: 3,6 – 71 %
davon Praktikant/in: 0,1 – 2 %
Die Umfrage wurde vor dem Auslaufen der Stellen, die bis Ende 2011 über die Initiative Kulturarbeit finanziert waren, durchgeführt.

*   Studio Berlin II, Institut für Strategieentwicklung (IFSE), Juni 2011
**  Ergebnis der im Sommer 2011 durchgeführten Umfrage über Kunstprojekträume und -initiativen in Berlin, Séverine Marguin, Leuphana Universität Lüneburg und EHESS Paris; vgl. Marguin, Séverine „Die Berliner Projekträume: ein Standort“ in Vonhundert, Ausgabe vom Juni 2012
*** Diese Angaben basieren auf Schätzungen des Netzwerks freier Projekträume und -initiativen vom Januar 2012.

Download:
Netzwerk-Brief2_an_Parteien-Feb2012_4_web

3_1_Antwort_auf_Brief-CDU_23-02-2012

Eine weitere mündliche, positive Antwort gibt es von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen